Kalkar -
Ob es an der Übertragung des Kanzlerwechsels und der spannenden
Bundestagsdebatte im Fernsehen oder an dem ungewöhnlich schönen
Altweibersommertag lag, wer gestern nachmittag durch die Niederung rund um
Kalkar fuhr, der konnte kaum erkennen, daß hier rund zwanzig Stunden später eine
Großdemonstration stattfinden sollte; Bauern auf den Feldern, Familien auf dem Weg zum Einkauf, um sich für das Wochenende
einzudecken, spielende Kinder, Heimkehrer von der Arbeit. Nur hin und wieder
eine „Grüne Minna" und noch seltener ein Wagen mit dem Aufkleber „Atomkraft,
nein danke".
Ab Vorabend Sperrgebiet in Hönnepel
An den Einmündungen der Wege, die in Richtung Hönnepel führen,
erinnerten im Straßengraben Absperrungsböcke Ortskundige schon allerdings
daran, daß hier schon
am Abend das Sperrgebiet sein würde.
Ganz anders dagegen die
Szene am Brüter: An der Straße, die entlang des Kernkraftwerkes vorbeiführt,
standen neben dem Stacheldraht Beamte der Polizei und des Bundesgrenzschutzes
mit ihren Wal-kie-Talkies und hielten Funkkontakt mit ihrer Einsatzstelle. Auch
auf dem Gelände des Brüters
warteten junge Ordnungshüter hinter den Eingangsschranken und
schoben ihren Dienst, während ein Hubschrauber über die Niederung
flog.
Nur einige Kilometer weiter hatte der Koordinationsausschuß
der Demonstration in einem alten Wohnwagen auf dem Kalkarer
Marktplatz, wo heute (2. Oktober) um 10 Uhr die Kundgebung beginnen
wird, Quartier bezogen.
Kernkraftgegner, die vorwiegend aus dem
Ruhrgebiet und den Niederlanden gekommen waren, versammelten sich
auf dem Marktplatz und genossen die Herbstsonne. |
Zwischen 5000 und 8000 Demonstranten aus Niederlanden erwartet
Aus dem
Nachbarland, so schätzte ein Niederländer, werden zwischen 5000 und
8000 Demonstranten nach Kalkar kommen, die nicht nur über
Arn-heim, sondern auch über die anderen Grenzstellen kommen werden,
um so ein Verkehrschaos zu vermeiden. Es werden übrigens ebenso
Fietser aus dem Nachbarland gen Nicolaistädtchen radeln.
Pressestelle der Polizei in Wisseler Schule
Ruhig ging
es gestern nachmittag auch noch in der Pressestelle der Polizei in
der Wisseler Schule zu. Nur einige niederländische Journalisten
fragten schon nach den Terminen der Pressekonferenzen.
Stadtväter: "Kalkar darf kein zweites Brokdorf werden!"
In einer
einstimmig verabschiedeten Resolution des Kalkarer Stadtrates,
betonen die Kommunalpolitiker zur Kundgebung, daß jeder willkommen
sei, der seine Meinung friedlich dokumentieren wolle. „Mit
Nachdruck", so heißt es weiter, „weisen wir darauf hin, daß Gewalt
kein Mittel in der politischen Auseinandersetzung sein darf." Wer
der Gewalt das Wort rede, rüttele an den Grundfesten unserer
freiheitlichen Demokratie. Abschließend werden die
Demonstrationsteilnehmer aufgerufen, mitzuhelfen, daß eventuelle
Gewalttätigkeiten im Keim erstickt werden. Kalkar dürfe kein
zweites Brokdorf werden, beschwören die Stadtväter. |