Oybaum-Bewohner aus Kalkar fordern eine politische Lösung

NRZ Andreas Gebbink 27.10.2018
Kalkar-Hönnepel. Im Wochenendgebiet Oybaum in Kalkar sorgt eine Stichtagsregelung für etliche soziale Härtefälle. Die Bürger fordern jetzt eine politische Lösung.

Claudia Michels und Dirk Grieß fühlen sich betrogen – von der Stadt Kalkar, von ihrem Architekten, von der Politik. Das Paar aus Kalkar-Hönnepel wohnt seit 18 Jahren im Baugebiet Oybaum, welches seit gut einem Jahr im Fokus der Behörden steht. Die Menschen im Oybaum wohnen hier illegal, hat man ihnen plötzlich mitgeteilt. Denn laut Bebauungsplan ist hier nur ein Wohnen am Wochenende erlaubt. Das tut aber keiner – seit 1983 schon nicht.

Drastische Konsequenzen

Mittlerweile beschäftigt die kleine Oybaumsiedlung auch die Landespolitik. Nachdem die Bezirksregierung im vergangenen Jahr den Kreis Kleve angewiesen hat, den rechtlichen Zustand herzustellen, flattern immer häufiger Schreiben in die Häuser der Anwohner mit dem Hinweis, dass das dauerhafte Wohnen in der Wochenendsiedlung nicht erlaubt ist. Für Altfälle hat man eine Stichtagsregelung gefunden: Jeder, der nach dem 5. April 2017 in die Siedlung zieht, darf dort nicht mehr dauerhaft leben. Hört sich erst einmal sozial an, hat aber drastische Konsequenzen für das Leben der Menschen im Oybaum.

Claudia Michels und Dirk Grieß sitzen am Küchentisch und erzählen. Im Jahr 2000 haben sie ihr Holzhaus errichtet und 2012 auf 120 Quadratmeter erweitert. „Alles mit der Genehmigung der Stadt Kalkar. Wir haben sogar eine Eigenheimförderung erhalten“, sagt Dirk Grieß. Von einer Nutzungseinschränkung habe damals niemand gesprochen: weder der Architekt noch die Stadt, die Bank, der Notar. Durch die jetzt auftauchenden Probleme und die eingeführte Stichtagsregelung sieht er seine Existenz bedroht. Denn verkaufen könne er sein Haus nicht mehr: Wer möchte in eine Immobilie investieren, die nur am Wochenende bewohnt werden darf?

„Die Maßnahmen sind willkürlich“

Aber das neue Recht greift auch ganz konkret in das Leben der Bewohner ein. Claudia Michels und Dirk Grieß haben eine Tochter, die studiert. „Sie hat sich natürlich an ihrem Studienort mit Erstwohnsitz angemeldet. Jetzt darf sie aber nach dem Studium nicht mehr zu uns ins Haus ziehen. Sie erhält hier keinen Erstwohnsitz mehr“, sagt Claudia Michels. Auch ein Umzug in eine andere Stadt sei für das Paar nicht mehr möglich. In ihrem Leben muss jetzt alles glatt laufen: „Theoretisch könnten wir uns noch nicht einmal trennen. Wir wären ruiniert“, sagt Claudia Michels – und blickt dabei ihren Mann lieb an.

Einen echten Härtefall gebe es in der Nachbarschaft bereits: Ein altes Ehepaar musste ins Pflegeheim und wollte mit dem Hauseigentum eigentlich die Kosten decken: „Sie sind jetzt quasi ein Sozialfall geworden“, sagt Dirk Grieß. Das Paar fordert dringend die Politik dazu auf, eine Lösung für das dauerhafte Wohnen zu finden. „Warum wird nur hier im Oybaum durchgegriffen. Es gibt in NRW zahlreiche Wochenendhausgebiete, in denen dauerhaft gewohnt wird. Die Maßnahmen sind völlig willkürlich.“ Und nicht zuletzt: „Ich zahle seit Jahren die volle Grundsteuer auf Grundlage eines Einfamilienhauses, ich habe hier ein Gewerbe angemeldet und zahle Gewerbesteuer. Das war nie ein Problem. Und jetzt auf einmal schon? Das verstehe ich nicht.“

Enkeltochter darf nicht bei den Großeltern wohnen

Ein paar Häuser weiter wohnt ein Ehepaar, das nicht mit Namen in der Zeitung erscheinen möchte. Die beiden 72-Jährigen leben in einem Haus zur Miete. Ihre Enkeltochter hat jetzt Post vom Klever Landrat erhalten, der ein dauerhaftes Wohnen der jungen Frau bei ihren Großeltern untersagt. „Unsere Enkeltochter hat immer hier gewohnt, bis sie mit einer Freundin eine WG im Nachbarort gegründet hat“, erzählt die Oma. Das Projekt ist nach einem halben Jahr gescheitert, doch die junge Frau kann nicht zurück zu ihren Großeltern. Trotzig sagen sie: „Sie bleibt erst einmal hier wohnen.“ Auch dem Ehepaar sind drastische Fälle aus dem Oybaum bekannt. So gibt es einen Hausbesitzer, der drei Immobilien vermietet. „Die Mieter können jetzt quasi machen, was sie wollen“, sagt die 72-Jährige. Denn kündigen ist für den Vermieter keine Option: „Durch die Stichtagsregelung kann man hier kein Haus mehr vermieten.“

Ministerin Scharrenbach schweigt

Einige Nachbarn im Oybaum haben eine Bürgerinitiative gegründet. Sie vertreten die Interessen der Bewohnern. Dazu gehören Egbert Peters und Elke Simon, die sich für eine politische Lösung einsetzen. Doch leider hätten sie erfahren müssen, dass sich die zuständige Landtagsabgeordneten kaum einsetzen: „Sie hören zwar zu und machen nette Worte. Aber eine richtige Hilfe haben wir noch nicht erhalten“, sagt Elke Simon. Die NRZ hat am 18. September einen ausführlichen Fragenkatalog an das zuständige Heimatministerium von Ministerin Ina Scharrenbach geschickt. „Die Landesregierung befinde sich derzeit in der Abstimmung“, hieß es in der Antwort vom 24. September. Danach gab es auch auf Nachfrage keine Stellungnahme mehr.

Egbert Peters appelliert an die Politik, etwas zu tun. „Hier geht es um viele persönliche Schicksale. Ich kenne einen älteren Nachbarn, der im Pflegealter gerne bei seinen Kindern wohnen möchte, die nur ein paar Häuser weiter wohnen. Das geht nun nicht mehr. Er darf nicht mehr umziehen, weil er sonst einen neuen Wohnsitz anmelden müsste.“ Elke Simon hält das ganze Problem für ziemlich deutsch: „Es geht hier um formale Pläne, die geändert werden müssen und auch geändert werden können. Gesetze werden für Bürger gemacht. Aber hier wendet sich das Gesetz gegen uns. Und das darf nicht sein.“

 

Kommentar:

Stimmt, die jetzt willkürlich eingeführte Stichtagsregelung hat „drastische Konsequenzen für das Leben der Menschen im Oybaum“ und ist natürlich überhaupt keine Lösung.

Als erster Lösungsschritt müsste diese Regelung umgehend wieder abgeschafft  bzw. ausgesetzt werden, was rechtlich problemlos möglich wäre, bis eine endgültige Lösung gefunden ist! Diese war ja von der Bezirksregierung schon für Ostern 2018 angekündigt. Passiert ist leider nichts, so dass die Oybaumbewohner weiter unnötig schikaniert werden! Schrecklich!

Norbert van de Sand