Schulchronik Hönnepel: Hochwasser 1920
Der im
Dezember lang anhaltende starke Regen, welcher im südlichen und
westlichen Teile Deutschlands herniederging und die Schneemassen zum
Schmelzen brachte, führte dem Rhein eine solche Menge Wasser zu,
daß seine Ufer die Wogen nicht mehr zurückhalten konnten.
Binnen acht
Tagen stieg die Flut zu einer Höhe, die Befürchtungen hervorrief. Am 1.
Januar sah man des Morgens bereits den Silberschein des Wassers in
der Ferne. Unaufhaltsam drang die Flut vorwärts, am Abende war
der nordwestliche Teil unseres Dorfes überschwemmt. Bald
leuchtete der Mond vom klaren Himmel und ließ die
Wasserflut in weißem Lichte erglänzen, und man sah wie sich von
Stunde zu Stunde unheimlich schnell heranwälzte. Am folgenden
Morgen hatte sie schon die Landstraße erreicht
und überflutete
diese zwischen Lehrerwohnung und Schulhaus. Emsig gingen nun die jungen Leute ans Werk, um aus umgekehrten Tischen, aus Trögen und Kübeln Fahrzeuge herzustellen. Galt es, die armen Häschen, welche auf erhöhten Plätzen vom Wasser eingeschlossen saßen, einzufangen. Man trieb sie aus ihren Versteck, und in langen Stiefeln eilte man ihnen im Wasser nach. Da sie keine vorzüglichen Schwimmer sind, so gelang es ihnen sehr selten, zu entkommen. Sogar zu Pferde machte man Jagd auf das kostbare Wild, und froh kehrte man mit der Beute heimwärts. Am 4. Januar des Mittags stand das Wasser in unserem Orte durchschnittlich 2/3 m hoch. Kirch- und Schulplatz wurden nicht überschwemmt. |
Zum Gottesdienst gingen nur die nächsten Anwohner zur Kirche. Am 5. Januar beobachtete man ein langsames Fallen des Wassers. Bei schneidiger Kälte bildete sich schnell eine Eisdecke auf der Flut, so daß ein Nachenverkehr kaum möglich war. Bereits am 6. Januar hatte das Eis hinreichende Stärke, und bald tummelten sich klein und groß auf der unübersehbaren glatten Fläche.
Nach drei Tagen wurde die Luft
milder, und Regenschauer brachten die Eismassen zum Schmelzen. Mit
dem Eise ward auch die Hochflut abgegangen; nur das Quellwasser
überrieselte in breiten Bahnen die niedrigen Stellen der Flure und
Wege, so daß zum Beispiel das Mühlenfeld von Kirche und Schule
abgeschnitten wurde.
Recht schwierig gestaltete sich das Beschaffen der nötigsten
Lebensmittel und die Beförderung der Milch zur Fabrik,
da nur sehr wenige Nachen vorhanden
waren. Und wenn sich hier auch die Nächstenliebe in schönstem Lichte
zeigte, so wird doch manche Familie, die abseits wohnt, in nicht
geringe Not geraten sein; denn es mussten sogar einige Wohnungen
von Menschen und Vieh geräumt werden. Möge der gütige Gott, der uns vor großem Unglück bewahrt, seine segnende Hand über uns ausbreiten, uns die wertvollen Saaten der Felder erhalten und sie zur vollen Reife bringen. |