Rheinische Post (Titelseite) 10. Juli 1987
Umweltminister Klaus Töpfer und Bundeskanzler Helmut Kohl (Fotos gehören nicht zum RP-Artikel)

Brief von Umweltminister Töpfer an Kohl

Das Aus für Kalkar rückt immer näher
Baukosten betrugen fast 6,6 Milliarden

Von unserem Redaktionsmitglied Hans Overberg

Düsseldorf - Das Aus für den Kalkar-Brüter scheint in noch größere Nähe gerückt zu sein. Bundesumwelt­minister Töpfer hat dem Bundeskanzler schriftlich mitgeteilt, daß das Genehmigungsverfahren für den SNR 300 zu keinem positiven Ergebnis kommen könne, solange „in der fachlichen Beurteilung ein Minimal­konsens zwischen Bund und Land Nordrhein-Westfalen über das Pro­jekt nicht besteht". Und weiter: „Die Einhaltung des Abschlusses des Verfahrens für die jetzt anstehende Teilerrichtungs-Genehmigung zum 31. Januar 1988 halte ich für ausgeschlossen." Für die SBK, Betreiberge­sellschaft des Brüters, sagte der RP gestern Geschäftsführer Theisen: „So oder so, wir müssen bis zum Jahresen­de 1987 eine Entscheidung über den Brüter haben. Gegebenenfalls ist das Projekt nach 15 Jahren Bauzeit und 6,584 Milliarden D-Mark Baukosten dann tot."

Bundeskanzler Kohl: "Brutreaktor in Kalkar eine hoch­rangige politische Angelegenheit "
Das Schreiben von Umweltminister Töp­fer an den Bundeskanzler erfolgte in Vorbereitung eines Gespräches, das Kohl mit den Ministern Riesenhuber (Forschung) und Töpfer sowie dem neuen CDU-Landes­vorsitzenden, Bundesarbeitsminister Blüm, anberaumt hatte und das inzwischen statt­gefunden hat. Dabei hat der Bundeskanzler den Brutreaktor in Kalkar als eine „hoch­rangige politische Angelegenheit" bezeich­net. Sicherheitsfragen müßten zwar Vor­rang haben, doch müsse auch berücksichtigt werden, daß der praktisch fertiggestellte Reaktor während der letzten 15 Jahre für die fast 20 Teilerrichtungsgenehmigungen von der Genehmigungsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen immer wieder geprüft worden sei. Kohl hat sich gegen eine Kalkar-Ruine auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ausgesprochen.

Im Gegensatz zu Riesenhuber, der eine positive Weisung des Bundes an das Land Nordrhein-Westfalen für die Inbetriebnah­me des Brüters angeblich für möglich hält, hat sich Minister Töpfer in seinem Schrei­ben an Kohl deutlich dagegen ausgespro­chen.
Töpfer hält es für notwendig, daß „die vom Land Nordrhein-Westfalen aufgezeig­ten fachlichen Probleme auch im Falle der Bundesweisung aufgegriffen und geprüft werden müssen". Dabei gehe es um den sogenannten Bethe-Tait-Störfall, um Korro­sionsfragen im Reaktortank und dessen Einbauten sowie um die Nachrüstung der Lüftungsanlagen für das Reaktorgebäude. Eine „Garantie" für den positiven Abschluß aller Prüfung, vor allem aber einen verbind­lichen Zeitrahmen hierfür, könne er zumin­dest solange nicht geben, wie die Haltung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht end­gültig abgeklärt worden sei. Er sei sich bewußt, daß der erforderliche Zeitrahmen weitreichende Rückwirkungen auf die Finanzierung des Projekts durch die Industrie haben werde.

Theisen erklärte der RP, die SBK habe pünktlich zum 30. Juni NRW-Technologie­minister Jochimsen alle angeforderten Un­terlagen zugesandt und halte den Brüter für genehmigungsfähig.
 Der Folgerung, damit „ist der Brüter wohl tot", wollte sich Theisen aber nicht anschließen. Finanzielle Nach­schüsse der Industrie oder Elektrizitätswirt­schaft würden nur möglich sein, wenn dabei die Betriebsgenehmigung erteilt werde.

Anmerkung:  Das Layout wurde zur besseren Übersicht und Lesbarkeit nachträglich geändert mit Zwischenüberschriften!

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