Rheinische Post 7. Mai 1981

Ohnsorg-Theater  in Hönnepel mit
"Warnung" von Brüter-Gegnern

Kalkar-Hönnepel - Fast möchte man sie als Stoff für den Komödiensta­del oder das Ohnsorgtheater empfeh­len, die Geschichte, die sich in diesen Tagen in Hönnepel zugetragen hat. Doch irgendwann im Laufe der Story, bei der sich Dichtung und Wahrheit nicht an allen Stellen genau auseinan­derhalten lassen, schlägt das Schmun­zeln in Unbehagen, wenn nicht gar mehr, um.

Da soll, so sagt man, entgegen den Wünschen der Jubilare, an einer Sil­berhochzeitsresidenz dennoch ein Glückwunschschild angebracht wor­den sein. Und dann hatte am anderen Morgen auf dem Nachbarhof über dem Parkschild, das den Teilnehmern am Kernkraftwerksgegnertreffen das Ab-

Kettenreaktion

stellen ihrer Fahrzeuge erlaubt hatte, die Schrift: „Zum grünen Sepp" ge­prangt.

Scherze unter Nachbarn, über die
man sich an der Theke köstlich amüsiert, sollte man sagen. Aber in Hönnepel ist eben manches anders. Da gib es außerhalb des Kernkraftwerks Kettenreaktionen. Sie führten dazu, daß noch ein Dritter Stoff für Gespräche am Stammtisch lieferte, nur daß man nun nicht mehr lachte, sondern seiner Empörung freien Raum ließ. Da waren nämlich des gefoppten „Sepps" Freunde, gleich fünfzig an der Zahl, aus dem Kernkraftsgegnerlager in das Dorf marschiert, hatten sich vor das Haus eines nichtsahnenden Ratsherren postiert und so laut und nachhaltig Sprüche wie „Van de Sands - Hönnepels Schand" skandiert, daß der mit solchen „Ovationen" aus dem Mittagschlaf Geschreckte fast aus dem Bett gefallen war. Zwar hielt die Polizei das „Happening" gut im Auge, und es brauchte niemand unruhig zu werden.
Seit aber die Hönnepeler wissen, was die Besucher an „Souvenirs" am Haus hinterlassen haben, nämlich in den Putz eingeritzte Schrift „1. Warnung" und einen Zettel: „Anarchie ist mach-
bar, Herr Nachbar", ist ein Teil ihrer Gelassenheit weg.                          / Pn